Studie: Wie objektiv sind Schulnoten?

Studie: Wie objektiv sind Schulnoten?

Wie objektiv sind Schulnoten? Bilden sie tatsächlich nur die schulischen Leistungen ab? Oder lassen sich Lehrer:innen bei der Benotung auch von anderen Faktoren wie dem Geschlecht, dem Aussehen, der Herkunft oder dem sozialen Hintergrund der Schüler:innen beeinflussen? Diesen Fragen ist ein Forschungsteam in einer Studie nachgegangen. Wir ordnen die Ergebnisse ein!

Anzeige

Studie Wie objektiv sind Schulnoten

Auswertung der Noten von fast 14.000 Schüler:innen der neunten Klasse

Jedes Jahr zwischen Juni und August beginnen für Schüler:innen aller Jahrgangsstufen die Sommerferien. Doch bevor es so weit ist und die Kinder und Jugendlichen die schulfreie Zeit genießen, mit den Freunden ins Freibad gehen oder mit den Eltern in Urlaub fahren, bekommen sie in der letzten Schulwoche ihre Jahreszeugnisse.

Die erzielten Schulnoten sollen die schulischen Leistungen einordnen und zeigen, was gut lief und wo Verbesserungsbedarf besteht. Gleichzeitig kann ein Jahreszeugnis die Weichen für die berufliche Zukunft stellen.

Vor allem für Schüler:innen, die kurz vor dem Schulabschluss stehen, kann das Zeugnis Türen für die Karriere öffnen, aber genauso auch verschließen.

Umso wichtiger ist, dass die Noten die schulischen Leistungen vergleichbar und dabei möglichst objektiv bewerten. Aber ist das der Fall? Ober gibt es möglicherweise bestimmte Schülergruppen, die Lehrer:innen bei der Vergabe der Schulnoten bevorzugen, während andere Schülergruppen im Nachteil sind?

Ein Forschungsteam der Universitäten Zürich und Bern hat das in einer Studie untersucht.

Dabei konzentrierten sich die Forschenden vor allem auf die Frage, ob und in welcher Form das Geschlecht, der Body-Mass-Index (BMI), die ethnische Herkunft und der sozioökonomische Status der Eltern dazu führen, dass Jugendliche bei der Notenvergabe durch die Lehrkräfte bevorzugt oder benachteiligt werden.

Um sicherzustellen, dass die schlechteren Noten tatsächlich auf eine unfaire Bewertung zurückgehen und nicht nur das Ergebnis von schwächeren Leistungen sind, verglich das Team die Noten von fast 14.000 Neuntklässlern mit den Leistungen, die die Schüler:innen in zwei sogenannten Kompetenztests erzielten.

Ein Test überprüfte die kognitiven Fähigkeiten im Allgemeinen, beim anderen Test ging es um bereichsspezifische Kompetenzen. Durch die beiden Tests waren objektive Maßstäbe für die Bewertung der kognitiven Fähigkeiten der Schüler:innen gegeben.

Verzerrung der Benotung aufgrund bestimmter Merkmale

Bei der Auswertung zeigte sich, dass die Lehrkräfte bei der Vergabe der Zeugnisnoten tatsächlich nicht ganz objektiv vorgehen. Vielmehr gibt es die Tendenz, Kinder mit bestimmten Merkmalen schlechter zu bewerten.

So bekamen zum Beispiel Kinder mit einem höheren BMI oder mit einem schwächeren sozialen Hintergrund in allen Schulfächern schlechtere Noten, als sie gemessen an den Kompetenztests eigentlich haben müssten.

Auch Schüler:innen, die zu einer ethnischen Minderheit gehören, hatten in allen Schulfächern das Nachsehen. Die einzige Ausnahme hier war das Fach Biologie.

Mädchen wurden bei der Benotung außerdem in Deutsch, Mathematik und Biologie bevorzugt, während Jungen im Fach Physik einen unfairen Vorteil hatten.

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse schlossen die Forschenden weitere Faktoren aus, die Einfluss auf die Schulnoten haben könnten. Zu diesen Faktoren gehörten unter anderem häufige krankheitsbedingte Ausfälle, Essstörungen, Sitzenbleiben oder auch persönliche Eigenschaften wie Sorgfalt und Fleiß.

Doch an den Unterschieden änderte sich dadurch nichts. Das Forscherteam schloss deshalb daraus, dass die Ergebnisse ein starker Hinweis darauf sind, dass die Benotung verzerrt ist.

Betroffen davon sind verschiedene Schülergruppen an deutschen Schulen in den untersuchten Schulfächern, je nachdem, welches Geschlecht, welches Körpergewicht und welchen ethnischen und sozioökonomischen Hintergrund die Schüler:innen haben.

Besucher lesen auch gerade folgenden Beitrag:  Warum handschriftliche Notizen beim Lernen besser sind als getippte

Studie Wie objektiv sind Schulnoten (1)

Addition der diskriminierenden Effekte

Aber was passiert, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen, also zum Beispiel Übergewicht, Migrationshintergrund und schwierige soziale Verhältnisse? Bei der Notenvergabe könnten sich die Merkmale gegenseitig abschwächen, genauso aber auch gegenseitig verstärken.

Wenn also Jungen und übergewichtige Kinder in einem Schulfach im Durchschnitt um eine halbe Note schlechter bewertet werden als ihre Mitschüler, bekommt ein übergewichtiger Junge dann eine Note, die um einen ganzen Punkt schlechter ist? Oder verändert sich seine Note weniger oder sogar noch stärker?

Hier zeigt sich, dass sich der Effekt zu addieren scheint. Kommen bei einem Kind mehrere benachteiligende Merkmale zusammen, fallen seine Noten unabhängig von den tatsächlichen Fähigkeiten und Leistungen deutlich schlechter aus als die Noten seiner Mitschüler.

Davon abgesehen haben die untersuchten Eigenschaften aber einen vergleichbaren Einfluss auf die Notenvergabe.

Ein Mädchen mit Migrationshintergrund wird also zum Beispiel in einem ähnlichen Ausmaß benachteiligt wie ein Junge ohne Migrationshintergrund.

Ein festes Benotungsschema als Lösung

Die größten Unterschiede bei einer Bevorzugung oder Benachteiligung zeigten sich bei der Benotung im Fach Deutsch.

Die Forschenden vermuten, dass das daran liegen kann, dass die Lehrkräfte in diesem Fach freier bewerten können, während es in Mathematik und in den Naturwissenschaften eine klarere Trennung zwischen einer richtigen und einer falschen Antwort gibt.

Ein Lösungsansatz kann deshalb ein festes Benotungsschema für jedes Schulfach sein. So ein Schema könnte die Grundlage dafür schaffen, objektive und damit gerechtere Noten zu vergeben.

Jugendliche mit guten Schulnoten haben später auch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Umso wichtiger ist, dass die schulischen Leistungen gerecht benotet werden.

Die Schulnoten sollten nicht widerspiegeln, wenn Lehrkräfte Schüler:innen wegen äußerer Merkmale unterschätzen.

Aus Sicht der Forschenden sind vor diesem Hintergrund weitere Studien notwendig, die untersuchen, was zu einer unfairen Bewertung führt und wie dem entgegengesteuert werden kann.

Mehr Ratgeber, Tipps und Anleitungen:

Anzeige

Thema: Studie: Wie objektiv sind Schulnoten?

Autoren Profil:
FB/Twitter

Veröffentlicht von

Autoren Profil:

Bernhard Staube, - Inhaber Agentur für Schülerhilfe, Sabine Menkemann, - Lehrkraft Deutsch/ Mathe, Matthias Kurz, - Pädagoge berufsbildene Schule, Canel Gülcan, Studentin Lehramt Germanistik / Religion, sowie Christian Gülcan, Unternehmer/ Inhaber Medienagentur, Arbeitgeber, Betreiber und Redakteur dieser Seite, schreiben hier Wissenswertes, Tipps und Ratgeber zum Thema Bildung, Lernen, Schulen und Weiterbildung.

Kommentar verfassen