Vorzeitige Einschulung – was ein Kind dafür schon können muss
Nähert sich der sechste Geburtstag des Sprösslings, stellt sich für die Eltern allmählich die Frage, ob und wann ihr Kind eingeschult werden soll. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist der sogenannte Einschulungsstichtag. Dieser wird von den Schulen festgelegt, in den meisten Bundesländern ist es der 30. Juni. Feiert ein Kind seinen sechsten Geburtstag vor dem Einschulungsstichtag, tritt es mit Beginn des nächsten Schuljahres seine Schullaufbahn an.

Wird ein Kind nach dem Einschulungsstichtag, aber noch im selben Jahr sechs Jahre alt, muss es erst ab dem nächsten Schuljahr in die Schule gehen. Allerdings können sich die Eltern auch für eine vorzeitige Einschulung aussprechen.
Da das Kind auf Wunsch der Eltern die Schule schon früher besuchen kann, wird von einem sogenannten Kann-Kind gesprochen. Ob eine vorzeitige Einschulung möglich und sinnvoll ist, hängt dann davon ab, ob bei dem Kind eine ausreichende Schulreife gegeben ist.
Inhalt
- 1 Vorzeitige Einschulung – was sollten Kinder schon können?
- 2 Eine vorzeitige Einschulung sollte gut überlegt sein!
- 3 Vorzeitige Einschulung – praktische Ergänzungen für Eltern
- 3.1 1) Ablauf & Zuständigkeiten – so geht der Antrag
- 3.2 2) Was die Einschulungsuntersuchung meist prüft
- 3.3 3) Exekutive Funktionen – der „unsichtbare“ Schulreife-Turbo
- 3.4 4) Mehrsprachigkeit – realistisch einschätzen
- 3.5 5) Grenzfall? So fördert ihr gezielt bis zum Schulstart
- 3.6 6) Vorziehen oder Rückstellen? Eine kurze Entscheidungs-Matrix
- 3.7 7) Drei Mini-Fälle – anschaulich gedacht
- 3.8 8) Eltern-Selbsttest (Kurz-Checkliste)
- 3.9 9) Zeitplan & Formalitäten (orientierend)
- 3.10 10) Häufige Mythen – kurz entkräftet
- 3.11 Gesprächsleitfaden für die Entscheidung (Kita × Eltern × Schule)
- 3.12
- 3.13 Ähnliche Beiträge
Vorzeitige Einschulung – was sollten Kinder schon können?
Um einschätzen zu können, ob ein Kind schulreif ist oder ob nicht, werden verschiedene Kriterien zugrunde gelegt. Dabei gliedern sich die geforderten Eigenschaften und erwarteten Fähigkeiten in drei Gruppen, nämlich in körperliche Voraussetzungen sowie in geistige und in soziale Kompetenzen.
Konkret sollte ein Kind für eine vorzeitige Einschulung folgenden Anforderungen gerecht werden:

| Körperliche Entwicklung |
| Das Kind ist insgesamt in einer guten gesundheitlichen Verfassung. |
| Seine Körpergröße entspricht dem altersgerechten Durchschnitt. |
| Das Kind kann rückwärts laufen, auf einem Bein hüpfen, balancieren und einen Ball werfen und auffangen. |
| Die Feinmotorik ist dem Alter entsprechend ausgeprägt. Das Kind kann also beispielsweise einfache Formen nachmalen, Bilder ausmalen, leichte Bastelarbeiten durchführen, mit Schere und Stift umgehen, eine Schleife binden oder Knöpfe öffnen und schließen. |
| Das Kind kann sich alleine an- und ausziehen. |
| Das Kind geht selbstständig auf die Toilette. |
| Geistige Kompetenzen |
| Das Kind kann eine Stunde lang auf seinem Stuhl sitzen bleiben und sich mindestens 20 Minuten konzentriert und aufmerksam mit einem Thema beschäftigen. |
| Das Kind kann ganze Sätze formulieren und spricht verständlich. Es kann anderen zuhören und versteht, was sie sagen. |
| Das Kind kann seinen Namen, seine Adresse und sein Alter nennen. |
| Das Kind kann sich einfache Liedtexte oder Reime merken und kurze, schlichte Geschichten fehlerfrei nacherzählen. |
| Das Kind kann Grundformen und -farben erkennen, benennen und voneinander unterscheiden. Außerdem kann es zwischen rechts und links sowie unten und oben unterscheiden. |
| Das Kind kann bis zehn zählen, kleine Mengen erfassen und in Zahlen ausdrücken und verschiedene Gegenstände nach Größe oder Form sortieren. |
| Das Kind merkt sich einfache Aufgaben, bringt gestellte Aufgaben zu Ende, entwickelt eigene Ideen und kann Abläufe in einfacher Struktur alleine gliedern (also beispielsweise erst das, dann das). |
| Soziale Kompetenzen |
| Das Kind ist so selbstständig, dass es ein paar Stunden lang ohne seine Eltern auskommt. |
| Das Kind kennt und versteht Verhaltens- und Gesprächsregeln und kann diese akzeptieren und einhalten. |
| Das Kind findet sich in einer Gruppe zurecht, kann sich aber auch einmal mindestens 15 Minuten lang alleine beschäftigen. |
| Das Kind nimmt seine eigenen Bedürfnisse wahr und kann sie äußern. Es hat aber auch gelernt, abzuwarten, Bedürfnisse zurückzustellen und Kompromisse einzugehen. |
| Das Kind kann Enttäuschungen aushalten und lässt sich trotz Ärger oder Freude nicht allzu sehr von seinen Aufgaben ablenken. |
Natürlich erwartet niemand, dass ein Kind perfekt ist. Und selbstverständlich muss ein Kind nicht alle Kriterien zu 100 Prozent erfüllen.
Schließlich kommt es in die Schule, um dort vieles erst zu lernen. Je mehr Voraussetzungen das Kind erfüllt, desto einfacher wird es es aber haben, sich im Schulalltag zurechtzufinden. Andersherum macht es keinen Sinn, ein Kind einzuschulen, wenn es einfach noch nicht so weit ist.
Nun fällt es Eltern allerdings nicht immer ganz leicht, ihr Kind objektiv einzuschätzen. In diesem Fall bietet sich ein Eignungstest an. Eine ausgebildete Fachkraft bespricht dann die Testergebnisse mit den Eltern.
Interessieren sich die Eltern für einen Eignungstest, können sie sich an eine Schule oder auch an das örtliche Gesundheitsamt wenden. Dort werden ihnen geeignete Stellen genannt.

Eine vorzeitige Einschulung sollte gut überlegt sein!
Viele Pädagogen und Psychologen sind der Meinung, dass es jüngeren Kindern schwerer fällt, sich in die Schulklasse zu integrieren, als älteren Kindern. Ein Grund hierfür ist, dass das Alter in der Kindheit eine große Rolle spielt.
Oft sind es die älteren, größeren und deshalb oft körperlich auch stärkeren Kinder, die den Ton angeben, während sich die Kleinen mehr oder weniger unterordnen.
Studien haben außerdem gezeigt, dass Kinder, die vorzeitig eingeschult wurden, fast doppelt so oft ein Schuljahr wiederholen müssen wie regulär eingeschulte Kinder.
Ein frühes Negativerlebnis ist für Kinder oft nur schwer zu verarbeiten und wirkt sich deutlich auf das Selbstbewusstsein aus. Für Kinder ist es eine wesentlich größere Belastung, langfristig zu den Klassenschlechtesten zu gehören oder schlimmstenfalls eine Ehrenrunde zu drehen, als ein Jahr länger im Kindergarten zu bleiben.
Generell sollte es übrigens keineswegs als Strafe oder Herabsetzung des Kindes verstanden werden, wenn keine ausreichende Schulreife bescheinigt wird.
Ein weiteres Jahr im Kindergarten ist vielmehr eine Chance, die vorhandenen Defizite spielerisch auszugleichen. Zudem kann das Kind so ein Jahr länger Kind bleiben, bevor es sich dann dem Ernst des Schulalltags stellen muss.
Andererseits gibt es natürlich Kinder, die in ihrer Entwicklung schon früh so weit sind, dass sie die Schule problemlos meistern. Eltern sollten also genau abwägen und in Absprache mit dem Kind und Fachkräften entscheiden, ob eine vorzeitige Einschulung sinnvoll ist oder ob nicht.

Vorzeitige Einschulung – praktische Ergänzungen für Eltern
1) Ablauf & Zuständigkeiten – so geht der Antrag
Eine vorzeitige Einschulung ist in vielen Bundesländern möglich. Zuständig sind in der Regel Grundschule und/oder Schulamt.
Üblich sind:
- Formloser Antrag der Eltern bei der Wunsch-Grundschule bzw. beim zuständigen Schulamt.
- Stellungnahme der Kita (Beobachtungsbogen) und Ergebnisse der Einschulungsuntersuchung des Gesundheitsamts.
- Entscheidung meist durch Schulleitung in Abstimmung mit Schulpsychologie/Schulamt.
Wichtig: Stichtage und Formalien variieren je Bundesland. Erkundige dich frühzeitig direkt bei Schule/Schulamt und der Kita-Leitung. Fristen liegen häufig im Herbst/Winter vor dem Schulstart, einzelne Unterlagen können später nachgereicht werden.
2) Was die Einschulungsuntersuchung meist prüft
Die schulärztliche Untersuchung beleuchtet u. a.:
- Sehen, Hören, Motorik (Grob- & Feinmotorik, Stifthaltung, Koordination)
- Sprache & Sprechen (Wortschatz, Grammatik, Lautbildung, Verstehen)
- Kognition & Aufmerksamkeit (Merkfähigkeit, Mengenauffassung, einfache Regelspiele)
- Sozial-emotionales Verhalten (Kontaktaufnahme, Frustrationstoleranz)
Tipp: Bring das gelbe Heft (U-Untersuchungen), Impfpass, ggf. Berichte (Logopädie/Ergo) mit. Fürs Kind: ausgeruht ankommen, kleines Wasser & Snack, vertrautes Kuscheltier erlaubt.
3) Exekutive Funktionen – der „unsichtbare“ Schulreife-Turbo
Neben den von dir genannten Kriterien achten Fachkräfte auf exekutive Funktionen.
Darunter versteht man Fähigkeiten, die Verhalten steuern:
- Arbeitsgedächtnis: Eine dreiteilige Anweisung behalten („Jacke anziehen, Mappe holen, an die Tür kommen“).
- Inhibition (Impulskontrolle): Abwarten können, leise bleiben, Regeln halten.
- Kognitive Flexibilität: Zwischen Aufgaben umschalten, Perspektiven wechseln.
Alltagsbeispiele:
Kann dein Kind bei „Feuer-Wasser-Sturm“ (oder „Stopptanz“) innere Impulse steuern? Erkennt es Muster („rot-blau-blau–rot-blau-…“)? Kann es Aufgaben planen („Erst Hausaufgabe malen, dann schneiden, am Ende einkleben“)?

4) Mehrsprachigkeit – realistisch einschätzen
Mehrsprachige Kinder zeigen mitunter ungleiche Sprachprofile: Wortschatz A in Sprache 1, Wortschatz B in Sprache 2.
Entscheidend ist die Gesamtkommunikation:
- Versteht das Kind Anweisungen im Unterrichtskontext?
- Kann es Bedürfnisse klar äußern (egal in welcher Sprache – im Schulalltag zählt die Funktionsfähigkeit)?
- Besteht ggf. Zugang zu Sprachförderangeboten (Kita/Schule)?
Pragmatisch: Weiter konsequent in der vertrauten Familiensprache sprechen; Alltagssprache Deutsch spielerisch stärken (Bilderbücher, Reime, Rollenspiele).
5) Grenzfall? So fördert ihr gezielt bis zum Schulstart
Kleine, regelmäßige Impulse wirken stärker als Marathon-Übungseinheiten:
- Feinmotorik: Kneten, Perlen fädeln, Steckspiele, Schere-Station („gerade Linie“, „Wellen“, „Formen“).
- Sprache: Täglich vorlesen, Reime klatschen, Geschichten nacherzählen (3-Bild-Folgen).
- Mathe-Vorläufer: Beim Kochen abmessen, Spielzeuge sortieren (Form/Größe/Farbe), „Wie viele Teller brauchen wir?“.
- Konzentration: Kurze Aufgaben mit sichtbarem Ende (10-Minuten-Timer), Ruhe-Inseln ohne Bildschirm.
- Selbstständigkeit: An-/Ausziehen als Ritual, Brotzeit vorbereiten, Check-Kärtchen für Morgenroutine.
- Sozial: Kleine Dienstrollen („Gießmeister“, „Bücherwart“), Warte-Spiele, kindgerechte Konflikt-Sätze („Ich möchte das auch, lass uns tauschen“).
6) Vorziehen oder Rückstellen? Eine kurze Entscheidungs-Matrix
Spricht für vorzeitig
- Hohe Selbstregulation, stabile Frustrationstoleranz
- Deutlich neugierig/unterfordert im Kita-Alltag
- Gute Anschlussfähigkeit an Gruppenregeln
Spricht für warten
- Häufige Überforderung bei Gruppenaufgaben
- Deutliche Sprach-/Motorik-Baustellen ohne aktuelle Förderung
- Kind möchte selbst lieber „noch Kita sein“ (dieses Signal ernst nehmen)
Merke: Kein Kind muss „perfekt“ sein. Entscheidend ist, ob es im Alltag eines Klassenverbandes überwiegend gut zurechtkommt – fachlich und emotional.

7) Drei Mini-Fälle – anschaulich gedacht
- Lina (5;7): Sehr sprachstark, bastelt gern, verheddert sich aber beim Schuhe binden. Lösung: Motorik-Spiele, Schleifen-„Lernschuh“, Start klappt – vorzeitig sinnvoll.
- Ibo (5;5): Zweisprachig, versteht Deutsch gut, spricht knapp. Sehr sozial, mag Regeln. Lösung: Bilderbuch-Dialoge, Reimspiele, Kita-Fördermodul – möglich mit enger Begleitung.
- Tom (5;3): Zählt gern, baut komplex, aber schnell frustriert in Gruppen. Lösung: „Warte-Spiele“, klare Rituale, Emotionskarten, ggf. ein Jahr Kita für Reifegewinn – abwägen.
8) Eltern-Selbsttest (Kurz-Checkliste)
Beantworte ehrlich mit Ja / Teils / Noch nicht:
- Hält mein Kind 20 Minuten bei einer Aufgabe durch – auch ohne direkte Begleitung?
- Kann es Anweisungen in 2–3 Schritten umsetzen?
- Kommt es in Gruppensituationen zurecht und findet Kompromisse?
- Nutzt es vollständige Sätze und versteht Alltagsanweisungen sicher (deutschsprachiger Unterricht)?
- Schafft es Morgenroutine (Anziehen, Zähne, Tasche packen) weitgehend selbstständig?
- Reagiert es auf Enttäuschungen mit kurzen, angemessenen Strategien (atmen, Hilfe holen)?
Mehr Ja = eher startklar. Teils/Noch nicht = gezielt fördern, mit Kita/Schule besprechen.
9) Zeitplan & Formalitäten (orientierend)
- Sommer/Herbst (ein Jahr vorher): Erstgespräch mit Kita-Leitung, Schulinfo einholen, Fristen notieren.
- Herbst/Winter: Antrag stellen (vorzeitige Einschulung), Beobachtungsbogen/Kita-Einschätzung beilegen.
- Winter/Frühjahr: Einschulungsuntersuchung beim Gesundheitsamt; ggf. Schulspiel/Schulaufnahmegespräch.
- Frühling: Entscheidung & Rückmeldung, ggf. Förderabsprachen.
- Sommer: Sanfter Übergang planen (Schulweg üben, Materialien, Routinen).
10) Häufige Mythen – kurz entkräftet
- „Schreiben/Lesen können ist Pflicht.“ → Nein. Interesse und Vorläuferfähigkeiten reichen.
- „Größe entscheidet.“ → Körpermaße sind ein Faktor – wichtiger sind Selbstregulation & Gruppenfähigkeit.
- „Mehrsprachigkeit verzögert die Schulreife.“ → Falsch. Entscheidend ist Verstehen/Kommunizieren im Unterricht.
- „Ein Jahr früher spart Zeit.“ → Nur, wenn das Kind stabil profitiert. Sonst drohen Überforderung und Umwege.
Gesprächsleitfaden für die Entscheidung (Kita × Eltern × Schule)
- Beobachtungen teilen (stark/noch reifend) – bitte konkret.
- Alltagsbelege nutzen (Bilder, Arbeitsproben, kurze Videos aus der Kita).
- Ziele für die nächsten 3–4 Monate festlegen (2–3 Fokusbereiche, z. B. „Anweisungen in 3 Schritten“, „Wartezeit im Spiel“).
- Review-Termin vereinbaren: Was hat sich verändert? Entscheidung gemeinsam fällen.
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