Dyskalkulie erkennen und behandeln, 1. Teil

Dyskalkulie erkennen und behandeln, 1. Teil

Von der Lese-Rechtschreib-Schwäche, der sogenannten Legasthenie, hat vermutlich jeder schon einmal gehört. Doch mit dem Begriff Dyskalkulie können weit weniger Leute etwas anfangen. Dabei kommt diese Teilleistungsschwäche, bei der die Wahrnehmung und Verarbeitung von Zahlen beeinträchtigt ist, gar nicht so selten vor. Vielleicht wurde bei einem Kind aber auch eine Dyskalkulie festgestellt und die Eltern fragen sich nun, was genau es damit auf sich hat.

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Dyskalkulie erkennen und behandeln, 1. Teil

In einem zweiteiligen Beitrag erklären wir, woher die Rechenschwäche kommt und wie sie sich äußert. Außerdem geben wir Tipps, wie sich eine Dyskalkulie erkennen und behandeln lässt:

Dyskalkulie: Was ist das?

Eine Dyskalkulie ist eine Teilleistungsschwäche, bei der das mathematische Denken und die Rechenfertigkeiten deutlich beeinträchtigt sind. Allerdings ist es nicht ganz einfach, eindeutig festzulegen, ab wann die Beeinträchtigungen so ausgeprägt sind, dass tatsächlich eine Schwäche vorliegt. Trotzdem wird der Begriff der Dyskalkulie natürlich nicht beliebig verwendet.

Vielmehr handelt es sich um eine Beeinträchtigung, die von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) anerkannt ist. In der internationalen Klassifikation ist die Dyskalkulie innerhalb der psychischen Störungen als Entwicklungsstörung eingeordnet und unter dem Kürzel F81.2 als Rechenstörung benannt.

Per dortiger Definition ist die Dyskalkulie eine „Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine eindeutig unangemessene Beschulung“ zu erklären ist und sich vor allem auf die grundlegenden Rechenfertigkeiten bezieht.

In Deutschland gilt eine Teilleistungsschwäche wie die Dyskalkulie oder auch die Legasthenie weder als Behinderung noch als seelische Beeinträchtigung im engeren Sinne. Aus diesem Grund führt eine Diagnose auch nicht zu einem Anspruch auf Eingliederungshilfe. Die Eingliederungshilfe umfasst spezielle Maßnahmen und Sozialleistungen für Menschen mit Behinderung.

Allerdings kann eine Lernschwäche weitere psychische Probleme mit sich bringen. Das kann zum Beispiel passieren, wenn der Betroffene kein Selbstbewusstsein entwickelt oder von anderen gemobbt wird.

Umso wichtiger ist deshalb, dass die Eltern ihr Kind beobachten, seine schulischen Leistungen im Blick haben und im Verdachtsfall einen Test durchführen lassen. Denn je früher eine Dyskalkulie erkannt wird, desto gezielter kann das Kind gefördert werden.

Was sind die Ursachen für eine Dyskalkulie?

Die Forschung geht davon aus, dass der Rechenschwäche eine neurobiologische Störung zugrunde liegt.

Das Areal im Gehirn, das im Wesentlichen für das Rechnen zuständig ist, ist der sogenannte intraparietale Sulcus. Er befindet sich im Parietallappen im hinteren, oberen Teil des Gehirns. Immer dann, wenn eine Aufgabe mit Zahlen zusammenhängt, ist der intraparietale Sulcus aktiv.

Studien haben mithilfe von bildgebenden Verfahren gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler mit einer Rechenstörung vor allem in diesem Bereich Defizite haben. Diese äußern sich dadurch, dass der intraparietale Sulcus weniger Aktivität zeigt. Außerdem konnten die Wissenschaftler Unterschiede in der Gehirnstruktur feststellen.

So hat der intraparietale Sulcus bei Betroffenen zum einen ein kleineres Volumen. Zum anderen sind die Verbindungen zu den anderen Netzwerken schlechter ausgeprägt.

Während der intraparietale Sulcus bei Aufgaben mit Zahlen weniger aktiv ist, sind andere Gehirnregionen wie zum Beispiel das Aufmerksamkeitszentrum dafür umso aktiver. Das spricht dafür, dass sich Schülerinnen und Schüler mit Dyskalkulie bei Matheaufgaben weit mehr konzentrieren müssen.

Die Wissenschaft vermutet, dass die Rechenschwäche vererbbar ist. Hat eines der Elternteile eine Rechenschwäche, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch das Kind eine Dyskalkulie entwickelt. Bisher ist aber nur bekannt, dass es eine genetische Beteiligung gibt. Welche Gene genau für die Rechenschwäche verantwortlich sind, steht nicht fest.

Neben der Genetik können auch das Lernumfeld und die Umgebung im Allgemeinen entscheidend dazu beitragen, ob und in welchem Umfang eine Dyskalkulie auftritt. Ein Faktor in diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die Muttersprache oder genauer deren Zahlensystem.

In aller Regel beginnt das Zählen und Rechnen nämlich in der Muttersprache. Dabei sind die deutschen Namen für Zahlen eher unregelmäßig. Vor allem das Vertauschen der Einer und Zehner bei allen Ziffern, die größer sind als 14, kann Schwierigkeiten bereiten.

Noch komplizierter sind die Zahlen im Französischen. Hier wird etwa die Zahl 91 aus vier-zwanzig-elf gebildet. Die asiatischen Zahlensysteme hingegen sind deutlich einfacher und regelmäßiger. Kinder mit einer Rechenschwäche dürften es deshalb ein wenig leichter haben.

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Was sind Symptome einer Dyskalkulie?

Vergleichen mit der Lese-Rechtschreib-Schwäche, sind die Symptome bei einer Dyskalkulie weniger einheitlich. Ganz typische Merkmale, die bei allen Betroffenen gleichermaßen auftreten, gibt es nur bedingt. Dadurch wird es schwieriger, die Rechenschwäche zu erkennen.

Einige Kinder tun sich mit dem Zählen schwer und nehmen deshalb oft ihre Finger zu Hilfe. Andere Kinder haben Probleme damit, Mengen zu erfassen. Wenn zum Beispiel einmal fünf und einmal zehn Bauklötzchen nebeneinander liegen, können sie nicht erkennen, welcher Haufen größer ist. Stattdessen müssen sie die Bauklötzchen abzählen.

Ein anderes Merkmal kann sein, dass betroffene Kinder mit den Namen der Zahlen als solches nicht zurechtkommen. Sie können den Namen nicht mit einer Ziffer oder Menge in Verbindung bringen.

Stattdessen sind Zahlen für sie abstrakte Zeichen ohne nähere Bedeutung. Oft vertauschen die Kinder dann die Ziffern auch, denn für sie macht es keinen Unterschied, ob es um eine 17 oder eine 71 geht.

Spätestens in der Schule machen sich die fehlenden Grundfertigkeiten dann zunehmend stärker bemerkbar. Wenn ein Kind Zahlen nicht einordnen und Mengen nicht einschätzen kann, werden selbst einfachste Matheaufgaben mit Plus, Minus, Mal und Geteilt zur enormen Herausforderung.

Oft ist es auch so, dass die Kinder zwar das Einmaleins auswendig aufsagen können. Nur tragen sie es eher wie ein Gedicht vor und können die Rechnungen, die dahinter stehen, in der Praxis nicht anwenden.

Aber: Bloß weil sich ein Kind im Umgang mit Zahlen etwas schwerer tut, heißt das nicht zwangsläufig, dass eine Dyskalkulie vorliegt. Vielmehr kann es auch ganz andere Gründe geben. So zum Beispiel, dass das Kind einfach etwas länger braucht, Schwierigkeiten beim Lesen hat oder schlicht keine Lust auf Mathe hat.

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Bernhard Staube, - Inhaber Agentur für Schülerhilfe, Sabine Menkemann, - Lehrkraft Deutsch/ Mathe, Matthias Kurz, - Pädagoge berufsbildene Schule, Canel Gülcan, Studentin Lehramt Germanistik / Religion, sowie Christian Gülcan, Unternehmer/ Inhaber Medienagentur, Arbeitgeber, Betreiber und Redakteur dieser Seite, schreiben hier Wissenswertes, Tipps und Ratgeber zum Thema Bildung, Lernen, Schulen und Weiterbildung.

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